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30. Oktober 2025

Reggio in Bewegung – Bildungsreise nach Italien | Eine Reise mit Haltung, Fragen und offenen Augen

Im Mai begaben sich 19 Kolleg:innen unserer Kindertagesstätten auf eine mehrtägige Bildungsreise in die italienische Stadt Reggio Emilia, den Ursprungsort einer der weltweit anerkanntesten frühpädagogischen Bildungsphilosophien: Der Reggio-Pädagogik.
Mitgereist waren Leitungskräfte, pädagogische Leitungen sowie engagierte Fachkräfte aus dem U3- und Ü3-Bereich. Diese Reise war weit mehr als ein Besuch. Sie war eine vertiefte Auseinandersetzung mit Haltung, Raum, Material und pädagogischer Verantwortung. Denn Reggio ist keine Methode die man kopiert, sondern eine Haltung, die man versteht, lebt und im eigenen Kontext weiterentwickelt.

Was bedeutet Reggio für unsere Kinder und für uns?

Schon vor der Abreise traf sich die Gruppe zu gemeinsamen Vorbereitung. Ziel war es die pädagogische Ausrichtung der Reise zu schärfen und zentrale Fragestellungen zu formulieren:Wie lassen sich die Grundideen der Reggio-Pädagogik mit unseren deutschen Rahmenbedingungen verbinden? Was brauchen unsere Kinder, um ihnen im Alltag tatsächlich auf Augenhöhe zu begegnen? Wie kann Reggio nicht nur Inspiration sein, sondern als dialogischer Prozess in unsere Einrichtungen einfließen?
Schnell wurde deutlich: Es gibt keine fertigen Antworten. Jede Einrichtung, jedes Team und jede Fachkraft muss eigene Wege im Sozialraum finden.

Fachlicher Tiefgang – Arbeit in Themengruppen

Um der Vielschichtigkeit des Ansatzes gerecht zu werden, bildeten sich bereits vor der Reise fünf Fachgruppen mit spezifischen Schwerpunkten:

Inklusion & Bild vom Kind
Wie sehen wir das Kind? Welche Haltung prägt unser pädagogisches Handeln im Hinblick auf Vielfalt, Teilhabe und individuelle Bedürfnisse?

Projektarbeit: Vom Innen zum Außen
Wie entstehen Projekte aus kindlichen Interessen? Wie erkennen wir Themen und begleiten Prozesse ohne sie zu lenken?

Sprechende Wände & Dokumentation
Wie werden Lernwege für Kinder, Fachkräfte und Familien sichtbar? Wie kann Dokumentation zu einem aktiven Teil des Lernprozesses werden?

Raumgestaltung & Materialpräsentation
Wie schaffen wir Räume die zum Forschen, Denken und Handeln anregen? Wie werden Materialien zu einem „dritten Pädagogen“?

Atelierarbeit
Wie fördern wir kreative Ausdrucksformen? Welche Rolle spielt das Atelier als Ort des Denkens, Entdeckens und Verbindens?

Zusätzlich beschäftigten sich alle Teilnehmenden mit einem gemeinsamen Thema: Partizipation und demokratisches Handeln im U3-Bereich. Wie gelingt echte Mitbestimmung schon bei den Jüngsten?

Ankommen in Italien – und in der Haltung

Die Anreise erfolgte klimafreundlich mit dem Zug. Der Rückweg musste aufgrund überbuchter Züge spontan per Flug organisiert werden. Ein organisatorischer Kraftakt, der gleichzeitig das widerspiegelte was auch Reggio ausmacht: Flexibilität, Prozessoffenheit und das Vertrauen darauf, dass sich Lösungen im Tun ergeben.
Statt sich von äußeren Umständen treiben zu lassen, entschieden wir uns für einen entschleunigten Blick auf das Erlebte. Jede:r Teilnehmende erhielt eine analoge Einwegkamera als Einladung, weniger zu dokumentieren und mehr zu beobachten, zu spüren und bewusst auszuwählen was bleibt.

Drei Tage Reggio – drei Tage voller Impulse

Die Bildungsreise gliederte sich in drei intensive Fachtage

Tag 1 & 2 – Pädagogische Praxis erleben
Am ersten Vormittag besuchten wir verschiedene Kindertageseinrichtungen in Reggio Emilia. Direkt zu erleben wie Kinder mit Materialien, Räumen und Themen arbeiten, war eindrucksvoll. Besonders die Selbstverständlichkeit mit der sie mitbestimmen, forschen und gestalten.
Am Nachmittag folgten Workshops und Vorträge zu Themen wie „Projektarbeit aus kindlichen Impulsen“, „ästhetische Bildung im Alltag“ und „pädagogische Haltung im urbanen Raum“.
Ein Satz blieb uns besonders im Ohr: „Kinder sind nicht unsere Zukunft, sie sind unsere Gegenwart.“

Tag 3 – Besuch der REMIDA
Ein Höhepunkt war der Besuch des sozialökologischen Projekts REMIDA. Die Remida initiiert soziale Projekte für Kinder und Jugendliche um soziales Lernen und Gemeinschaft zu fördern. Dort entstehen aus vermeintlichen Abfallmaterialien, wie Korken, Verpackungen und Reststoffen, wertvolle Lernimpulse. Hierbei steht nicht das Produkt steht im Vordergrund, sondern der Prozess des Denkens, Spielens und Ausprobierens. Ein Kind sagte bei einer Projektvorstellung (übersetzt): „Ich hatte keine Idee – und dann kam sie.“ Ein Satz der unser zentrales Lernmoment beschreibt: Vertrauen in den schöpferischen Prozess und die innere Motivation des Kindes.

Abschluss im Loris Malaguzzi Zentrum

Am letzten Tag besuchten wir das Loris Malaguzzi Zentrum, benannt nach dem Begründer der Reggio-Pädagogik. Dort konnten wir Ausstellungen, Materialien, Forschungsansätze und Kunstwerke erleben. Besonders eindrucksvoll war das „Atelier der Möglichkeiten“, ein Raum, in dem Forschen, Denken, Fühlen und Gestalten ineinanderfließen.

Zurück mit Elan – aber ohne schnelle Antworten

Mit vielen Ideen, inspirierenden Begegnungen und neuer Energie kehrten wir zurück und zugleich mit der Erkenntnis: „Reggio beginnt nicht in Italien – Reggio beginnt bei mir.“
In unseren Einrichtungen lässt sich die Reggio-Pädagogik nicht eins zu eins übernehmen. Und genau das ist ihr Kern: Sie lebt davon, im eigenen Kontext, mit dem eigenen Team und der eigenen Haltung weiterentwickelt zu werden. Reggio ist kein Rezept, sondern ein Dialog zwischen Kind, Fachkraft, Raum und Gesellschaft.

Erkenntnisse, die bleiben

Aus den vielen individuellen Erfahrungen entstanden gemeinsame Einsichten:

  • Räume sind nie neutral, sie sprechen. Ihre Gestaltung spiegelt unser Bild vom Kind.
  • Materialien sind zum Denken da, nicht zum Basteln. Kinder entwickeln ihre Vorlagen selbst.
  • Partizipation bedeutet nicht, mitreden zu dürfen, sondern mitzugestalten.
  • Pädagogisches Handeln braucht Haltung, nicht nur Regeln.
  • Entscheidungen entstehen gemeinsam – mit dem Individuum für die Gemeinschaft.

Wie geht es weiter?

Jede Fachgruppe arbeitet derzeit ihre Eindrücke, bezogen auf die jeweilige Einrichtung, auf. Die Reise war kein Abschluss, sondern ein Anfang: Für neue Wege, neue Denkweisen und eine bewusste Auseinandersetzung mit dem, was wir Kindern wirklich zutrauen und wie wir sie begleiten wollen.
Denn Reggio ist nicht dort wo wir waren – Reggio ist da wo wir hinschauen. Mit Haltung, mit Herz und mit offenen Fragen.

Impressionen von der Reise finden Sie demnächst auf unserem Instagram-Kanal.

Danke an: Dialog Reggio Deutschland für die Organisation, der Ev. Jugendhilfe Münsterland und den Diakonieverbund JUVANDIA für die Ermöglichung dieser Studienreise

Für mehr Infos schaue bei Instagram vorbei

Zukunft gelingt gemeinsam